Der Bürokratieabbau stand im Mittelpunkt des Spitzengesprächs bei der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald in Pforzheim mit (von links): Patrick Stöber, Dr. Gisela Meister-Scheufelen und Martin Keppler.
Foto: Michael Hasch
Nordschwarzwald (k-w). Wenn es um Verordnungen und Gesetze geht, dann schaut Dr. Gisela Meister-Scheufelen sehr genau hin. Die Vorsitzende des neuen Normenkontrollrates Baden-Württemberg für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung wollte von der IHK-Spitze in Pforzheim wissen, wo den Mittelstand der Schuh drückt.
Dabei kennt die promovierte Juristin durchaus die bürokratischen Hürden, die den Unternehmen besonders stark zur Last fallen. „Oft sind es eher die kleinen Dinge, wie zum Beispiel Bauverordnungen, die uns einholen“, weiß Gisela Meister-Scheufelen aus Erfahrung, „da kann eine industrielle Existenzgründung schon mal zu einer Herausforderung werden.“ Patrick Stöber, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald, geht es nicht etwa darum, alle Vorschriften von vorneherein vom Tisch zu wischen, „manche Lösungen sind ja durchaus sinnvoll.“
Die Stöber Unternehmensgruppe drückt unter anderem die neue Datenschutz-Grundverordnung. „Wenn ich dieses Thema in den USA anschneide, werde ich dort müde belächelt“, verrät der Pforzheimer Unternehmer, „mit der stringenten Auslegung der EU-Versordnung in Deutschland behindern wir nur unser Geschäft.“ Gleiches gelte zum Beispiel bei den Anforderungen an die Mindestlohn-Dokumentation, Arbeitszeiten oder den Export.
IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler bemängelte die in den Kommunen unterschiedlichen Handhabungen bei Brandschutz und Baurecht. Die IHK vermisst hier „Klarheit und Transparenz in der Sache“. Das hänge natürlich damit zusammen, waren sich die IHK-Vertreter einig, dass viele Regelungen auf europäischer Ebene getroffen werden. So gebe es bei der Datenschutz-Grundverordnung manche Unsicherheiten, die detailliert wohl erst in einigen Jahren ausgeräumt seien. Fruchtlos bleibe auch der Aufwand, der durch Dokumentationspflicht und Geldwäschegesetz ausgelöst werde.
Oft würden Gesetze unter Zeitdruck erlassen, ohne sie richtig vorzubereiten, gestand Meister-Scheufelen ein, „das führt dann zu erheblichen Problemen.“ Der Normenkontrollrat arbeite auf Verwaltungsverfahren hin, die praktikabler seien. Im angelsächsischen Raum werde da viel pragmatischer gedacht.
Die Berechnung der Folgenkosten und der Normenkontrollrat seien Meilensteine in der Geschichte des Landes. Denn erstmals weise die Landesregierung bei neuen Regelungen die Folgekosten aus, die aus Verordnungen oder Gesetzen für Bürger, Unternehmen oder den Staat entstünden, und ein unabhängiges Gremium prüfe dies.
Vorbild seien die Bürokratieabbaumaßnahmen auf Bundesebene, mit denen nicht zuletzt mithilfe des Nationalen Normenkontrollrats seit 2006 bereits 12 Milliarden Euro an Bürokratieausgaben abgebaut worden sind. Durch die Offensive des Landes lägen schon 60 Vorschläge für den Bürokratieabbau nach einer Umfrage des Landesnormenkontrollrats bei Kammern und Verbänden auf dem Tisch. Dass der Chef der Stuttgarter Staatskanzlei nun direkt für das Thema zuständig ist, sei ein enormer Fortschritt.
„Wenn wir es schaffen, den Belastungsgrad transparent zu machen, hat der Bund ganz andere Möglichkeiten, sein Veto auf EU-Ebene einzulegen“, sieht Gisela Meister-Scheufelen einen immensen Vorteil. Dann, so hofft es zumindest Patrick Stöber, könnten sich auch die Unternehmen im Land wesentlich früher auf das einstellen, was auf sie zukommt.
Dr. Gisela Meister-Scheufelen ist seit Dezember 2017 Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung. Dieses neue, unabhängige Gremium, das aus sechs Mitgliedern besteht, berät die Landesregierung, wenn es um den Abbau von Bürokratie sowie die Schaffung rechtlicher Normen und Gesetze geht. In ihr neues Amt bringt die promovierte Juristin umfangreiche Erfahrungen aus Politik und Verwaltung mit. Unter anderem war die gebürtige Stuttgarterin Mitglied des Landtags und Ministerialdirektorin im Finanzministerium, Präsidentin des Landesgewerbeamtes und des Statistischen Landesamtes sowie Staatssekretärin für Wirtschaft und Technologie im Land Berlin. Vor ihrer Berufung in den Normenkontrollrat war sie Kanzlerin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.