China im Fokus (von links): Jochen Digel, Vorstand der Digel AG, China-Experte Werner Hans Lauk, Elke Mönch (IHK-Beratungsteam Wirtschaft International), Hans Digel, Siegfried Katz (Sprecher des Wirtschaftsforum Süd) und IHK-Geschäftsstellenleiter Carl Christian Hirsch im Showroom der Digel AG in Nagold.
Foto: k-w
Nagold / Freudenstadt / Pforzheim (k-w). „Das Reich der Mitte lässt niemanden kalt“, sagt Werner Hans Lauk, „denn wir alle werden vom rasanten Aufstieg Chinas berührt – ob als Konsument oder Investor.“ Der Diplomat, der unter anderem Leiter der Wirtschaftsabteilung der deutschen Botschaft in Peking war und Generalkonsul in Hongkong, sprach vor Führungskräften aus dem Nordschwarzwald über ein Thema, das – wie schon die Teilnehmerzahl bewies – die Geschäftswelt bewegt.
Es ging um Chinas Wirtschaftsmacht und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Gebiet der historischen Seidenstraße. In den Mitgliedern und Freunden des Wirtschaftsforums Süd fand der „absolute Asienexperte“, wie ihn Carl Christian Hirsch, Leiter der Nagolder Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald skizzierte, aufmerksame Zuhörer.
Seine Zuhörer, die aus den Landkreisen Freudenstadt, Calw, dem Enzkreis und Pforzheim nach Nagold gekommen waren, beeindruckte der Diplom-Volkswirt im Showroom der Digel AG mit seinem profunden Wissen über die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. China baue seinen Einfluss zwar massiv aus, gleichwohl müsse sich Europa nicht vor der stärksten Volkswirtschaft der Welt „ducken wie das Kaninchen vor der Schlange“, so Lauk.
Allerdings müssten strengere Auflagen für die Übernahme deutscher Firmen gelten. “Vor allem dürfen wir keine Zukunftstechnologien aus Deutschland in das staatskapitalistische Wirtschaftssystem abfließen lassen.” Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, „dass der chinesische Markt bei allen Herausforderungen auch große Chancen bietet, die man wahrnehmen muss.” China sei nicht ohne Grund größter Handelspartner Deutschlands geworden.
Das alte Reich der Mitte erlebe einen Wandel, der seinesgleichen suche. Da nur 14 Prozent seiner Fläche landwirtschaftlich genutzt werden könnten, sei es besonders schwer, die über 1,5 Milliarden Menschen im Land zu ernähren. Deshalb brauche der bevölkerungsreichste Staat der Erde vielfältige Handelsbeziehungen, für Agrarprodukte wie für Industriegüter, Rohstoffe und moderne Technologien. China strebe an die Spitze der Wertschöpfungsleiter, habe aber auch massive Probleme bei der Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze.
Bedenklich sei, dass China mit strategischen Investitionen andere Staaten in wirtschaftliche und damit politische Abhängigkeiten bringen könne. Dazu zählten auch europäische Länder wie Griechenland, das China für sich als “Einfallstor nach Europa“ entdeckt habe. So hat der chinesische Staatskonzern COSCO den Hafen von Piräus erworbenen und betreibt diesen erfolgreich. Die asiatische Großmacht versuche, ihren Einfluss in den internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen auszubauen und sei als “wachsende monetäre Macht” größter Gläubiger der USA.
Bei aller rasanten Wirtschaftsentwicklung, die Hunderte Millionen von Menschen aus absoluter Armut befreite, dürfe man nicht die Augen davor verschließen, dass die Kommunistische Partei in China das absolute Sagen habe und ihr Überwachungsapparat bis in den persönlichen Alltag hineinwirke, mahnte der Diplomat. Besorgniserregend sei die weiter zunehmende Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit. Auf der anderen Seite seien wohl nirgendwo sonst auf der Welt moderne Bezahlsysteme mit dem Mobiltelefon so weit verbreitet wie in China.
Dass Hunderttausende junge Chinesen in Deutschland und anderen Staaten mit freiheitlicher Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung studieren, werfe sehr wohl die Frage auf: “Was macht diese Öffnung Richtung Westen eigentlich auf Dauer in den Köpfen dieser jungen Generationen?”
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